Angiographie
Dr. Martin C. Freund, Ass.-Prof. Dr. Alexander Loizides, PD Dr. Daniel Putzer,
Unter Angiographie versteht man die Darstellung von Blutgefäßen mittels bildgebender Verfahren. Mittels MR und CT können Blutgefäße ohne direkte Injektion eines Kontrastmittels dargestellt werden. Für die CT- bzw. MR- Angiographie wird das Kontrastmittel intravenös verabreicht.
Im Gegensatz dazu wird für die Durchführung einer digitalen Subtraktionsangiographie (DSA) das Kontrastmittel über einen Katheter direkt in das Blutgefäß eingespritzt, das dargestellt werden soll. Die Katheterisierung im Rahmen der DSA erfolgt in der Regel von der rechten oder linken Leiste aus. Selten werden andere Zugangsorte wie eine Arterie im Arm oder in der Achselhöhle verwendet. Die Punktion der Arterie in der Leiste (Schlagader) erfolgt in lokaler Betäubung. Nach Verabreichung des lokalen Betäubungsmittels wird die Arterie in der Leiste mit einer dünnen Nadel punktiert (angestochen), ähnlich wie eine Vene am Unterarm für eine Blutentnahme. Nach erfolgreicher Punktion wird über die Nadel ein dünner Führungsdraht eingeführt und über diesen eine dünne Kunststoffschleuse eingefädelt.
Die Verabreichung des lokalen Betäubungsmittels wird vom Patienten als ein leicht brennendes Gefühl verspürt. Die Punktion ist nicht schmerzhafter als die Punktion einer Vene am Arm. Viele Patienten verspüren bei der Punktion lediglich ein leichtes Druckgefühl. Das Einführen der Katheterschleuse und die Katheterisierung des Zielgefäßes erfolgt schmerzfrei. Für die Aufnahmen wird das Kontrastmittel sehr rasch über den Katheter in das Zielgefäß eingespritzt. Dabei empfindet der Patient ein leichtes Wärmegefühl in der Untersuchungsregion.
Nach Abschluss des Eingriffes werden Katheter und Katheterschleuse entfernt und ein Druckverband angelegt. In der Regel empfehlen wir eine Bettruhe von 24 Stunden nach einer arteriellen Punktion, um Nachblutungen zu vermeiden. In ausgewählten Fällen kann auch ein Verschlusssystem verwendet werden, um die Punktionsstelle schnell zu verschließen. Nach Verwendung eines Verschlusssystems ist eine Mobilisierung (z.B. Gang zur Toilette mit Begleitung) nach 4- 6 Stunden möglich.
Angiographische Untersuchungen sind für die Diagnose von Gefäßerkrankungen unverzichtbar. Die häufigste Gefäßerkrankung ist die Arteriosklerose (Arterienverkalkung), da die Arteriosklerose sehr häufig zu Durchblutungsstörungen an den Beinen und in Organen (z.B. Herz und Hirn) führt. Die CT- und MR- Angiographie ist für die meisten Fragestellungen ausreichend. Die Katheterangiographie (DSA) wird immer dann eingesetzt, wenn die CT- und MR- Angiographie keine eindeutige Diagnose ermöglichen oder wenn die vorliegende Gefäßerkrankung mittels endovaskulärer Techniken behandelt wird.
Im Gegensatz zu den offenen chirurgischen Verfahren wird bei den endovaskulären Techniken für die Behandlung von Gefäßerkrankungen der selbe Zugang wie für eine Angiographie gewählt (Punktion einer Arterie in der Leiste). Die für die Behandlung notwendigen Instrumente (PTA- Ballon bzw. Stent) werden über eine Katheterschleuse in der Leistenarterie eingeführt und unter Durchleuchtung bis an den Zielort manövriert. Mittels endovaskulärer Techniken kann eine Vielzahl von Gefäßerkrankungen behandelt werden. Man unterscheidet die "wieder eröffnenden Verfahren" (z.B. von arteriellen Gefäßverengungen oder -verschlüssen) und die "verschließenden Verfahren" (z.B. Blutstillung bei Gefäßverletzungen).
Behandlung eines Gefäßverschlusses im Bereich der Oberschenkelarterien
Blutung an einem Kontrastmittelaustritt in das umgebende Gewebe; nach Verschluss des Zielgefäßes durch Metallspiralen kommt die Blutung zum Stillstand.
Endovaskuläre Techniken werden auch für die Behandlung von Tumoren eingesetzt.
Beispiele hierfür sind die Behandlung von Uterusmyomen (www.myomembolisation.org) oder
von primären Leberzellkarzinomen (http://hepatitisandmore.de/archiv/2009-1/Hep1_09_FoBiPereira.shtml)
Endovaskuläre Behandlung des Beckenvenensyndroms (Pelvic congestion syndrome/PCS, Ovarialvenenkrampfadern)
Das Pelvic Congestion Syndrom (PCS) ist eine Erkrankung, die chronische Beckenschmerzen (über mindestens 6 Monate) verursachen kann, deren Ursache vielschichtig ist. PCS wird mit venösem Rückstau und Rückfluss, Einengung der iliakalen Venen und/oder Okklusion der gonadalen, glutealen und periuterinen- oder perinealen Venen in Verbindung gebracht.
Auch lokale, mechanisch bedingte Kompressionen der Nieren- oder Beckenvenen sind möglich. Multiparität wird häufig mit der Entwicklung von PCS in Verbindung gebracht. PCS kann chronische, dumpfe Beckenschmerzen verursachen, die durch die "drei Ds" gekennzeichnet sind:
- Dysmenorrhoe (starke, krampfartige Schmerzen während der Regelblutung)
- Dysurie (schmerzhafte, unangenehme Blasenentleerung, verbunden mit Stechen & Brennen)
- Dyspareunie (anhaltende oder wiederkehrende Schmerzen beim Geschlechtsverkehr)
Für die Abklärung kommen verschieden bildgebende Verfahren zum Einsatz, oft in erster Linie der Ultraschall. Die retrograde Venographie der Eierstöcke und der inneren Beckenvenen ist eine invasive medizinische Bildgebungstechnik, bei der unmittelbar nach Kontrastmittelgabe in der Durchleuchtung die Venen hervorgehoben und zweidimensional dargestellt werden. Während der Untersuchung wird die Patientin auf dem Untersuchungstisch gelagert. Der Eingriff erfolgt unter sterilen Bedingungen. Der Zugang zu den Venen wird in der Regel unter Lokalanästhesie angelegt.
Die Venographie ist die Untersuchung der Wahl zur Diagnose einer Beckenvenenerkrankung, da sie sowohl in liegender als auch in halb aufrechter Position mit einem Kipptisch durchgeführt werden kann. Neben der Diagnosestellung bietet dieser Eingriff die Möglichkeit einer gleichzeitigen therapeutischen Transkatheterembolisation. Das Verfahren umfasst die Katheterisierung der rechten und linken Eierstockvene über einen perkutanen femoralen oder jugulären Zugang.
Mehrere Kriterien weisen hier auf das Vorliegen eines möglichen PCS hin:
- abnorm erweiterte Eierstockvenen
- verlangsamter Blutfluss
- venöser Reflux, der eine retrograde Füllung und Stauung verursacht
- Uterusvenenschwellung und Füllung der Beckenvenen
Zu den verwendeten Mitteln für die Embolisation der betroffenen Venen gehören:
- Coils
- Flüssigembolisate
- sklerosierende Substanzen
Nach dreijähriger Nachsorge wurden in der Literatur Erfolgsraten von bis zu 90 Prozent im Hinblick auf die dauerhafte Rückbildung der Beschwerden nach einer Embolisation berichtet.